Quelle: PINKDOT LIFE
Wen es am 25. Januar 2024 vor die altehrwürdige Fassade des Zoo-Palasts geweht hat, konnte einen Hauch der Berliner queeren Crème de la Crème erwischen. Es war die Premiere von „Privileg“, einem Dokumentarfilm über den trans Aktivisten Henri Vogel. Der Regisseur Ali Schmahl begleitete ihn und seinen Ehemann Johannes über mehrere Jahre und zeigt uns deren Alltag. Klar, dass von Drag Queens bis lesbischen Dating-Show-Kandidatinnen alle kommen.
Der Star des Films, Henri, ist ein lustiger wie nachdenklicher Zeitgenosse. Theologie studierend, ist er nicht nur an einer Veränderung der Gesellschaft und Akzeptanz von queeren Menschen interessiert, er möchte auch in der evangelischen Kirche für eine Veränderung sorgen. Das geht nicht ohne Verletzungen und Erkenntnisse. Auf dem Weg immer an seiner Seite ist Ehemann Johannes. Da Henri erst nach der Eheschließung klar war, dass er trans ist, stellen auch viele ihm die Johannes, was seine Sexualität sei.
Der Film ist ein liebevoller Blick von einem Regisseur, der wirklich offen ist. Ali Schmahl hatte die Idee, da in seinem Heimatland Iran eine Transition innerhalb einer Ehe erlaubt ist, aber nur für trans Frauen, alles andere bleibt illegal. Wie ist das hier? Also macht er sich auf Straßenfesten und Pride-Paraden auf die Suche nach trans Personen, die mit ihm arbeiten wollen, aber Gevatter Zufall spülte ihm letztendlich die Vogels vor die Linse.
Berlins Queer-Beauftragter Alfonso Pantisano eröffnete den Abend und betonte die Wichtigkeit, trans Menschen zuzuhören. Vor allem unser Protagonist Henri Vogel verschaffe sich Gehör und dafür sei er voller Dankbarkeit. Im Q&A nach dem Screening wurde auch darauf hingewiesen, dass manche eingeblendete Definitionen von „trans“ und „Beziehungen“ so nicht mehr stimmen. Die Frage eines Schwarzen Zuschauers nach dem Filmtitel „Privileg“ wurde hinterfragt, denn natürlich hat ein weißer Mann mehr als alle anderen.
Es hatte ein wenig was von unbezahlter Bildungsarbeit, mit der alle Marginalisierten permanent zu tun haben. Aber, und es ist mir extrem wichtig zu betonen, Ali und seine Produzentin/Ehefrau Stefanie zeigen echtes Interesse an einer Verbesserung: Schon allein an den Bewerbungen für Crew-Jobs sehen sie, dass weiße cis-hetero Männer ein viel größeres Portfolio haben und da sagt das Producer-Team gern mal ab. Ob das ein Lippenbekenntnis ist, wird sich zeigen, aber im ganzen Film und vor allem auch bei Henri als Protagonisten ist der Wille spürbar. Und ja, vielleicht ist es nötig, daß Leute außerhalb unserer Blase unsere Themen für die hetero-normative Welt da draußen sichtbar machen.
Für Henri und Johannes ist es ein Privileg, so leben zu können. Eine, von der Kasse bezahlte Transition ist ein Privileg. So ist der Film auch eine Zeitreise, dachten wir doch bei Beginn der Ampel-Regierung, dass das unsägliche Transsexuellengesetz in seiner jetzigen Form bald Geschichte ist. Zweieinhalb Jahre später stehen noch menschenfeindlichere Dinge im Entwurf für das kommende Selbstbestimmungsgesetz. Es wird eben immer auf die gehört, die am lautesten schreien. Da tut es gut, einem optimistischen und schlauen Henri zuzuschauen, der beharrlich seinen Weg geht, das System ausdribbelt und sein Wissen weitergibt.
Die Produktion von AlefCine Pictures erschien bereits bei Prime UK und USA und sucht derzeit noch einen deutschen Verleih.